Endlich wieder «richtig» üben!

Am 18. Mai war es nach langem Warten endlich wieder so weit: die erste Gesamtübung seit der COVID-19 Pandemie stand auf dem Programm. Wie alle musste auch die Feuerwehr ihre Arbeit anpassen, was dazu führte, dass wir bis anhin keine Gesamt- oder sogar Einsatzübungen durchführen konnten, sondern auf reine Theorie- und Anlernstufenlektionen ausweichen mussten; mit der Durchmischung der Feuerwehrleute wäre das Quarantänerisiko schlicht zu gross. Brände können schliesslich (noch) nicht im Homeoffice bewältigt werden.

Umso grösser war die Freude, als der Übungsleiter bekannt gab, dass heute Einsatzübungen auf dem Programm stehen. Die Feuerwehr wurde in kleine Gruppen geteilt und jede Gruppe absolvierte drei Posten mit kleinen Einsatzübungen. Endlich wieder selbst Hand anlegen und das Feuerwehrhandwerk trainieren!

Meine Gruppe hat mit dem Posten zu medizinischen Notfällen begonnen. Erste Hilfe sollte jeder leisten können, gerade im Einsatz. Nach einem eher leichten Einstieg mit kleinen medizinischen Notfällen im Alltag, wo wir Treppenstürze, Bienenstiche bei Allergikern, Verbrühungen und einen Unfall mit Strom bewältigten, ging im zweiten Teil die Post ab: Wir kamen als Gruppe an einen (gestellten) Autounfall. Einer der Insassen rannte direkt laut brüllend auf uns zu und war sichtlich unter Schock. Es galt ihn zu Beruhigen und einen kühlen Kopf zu bewahren. Die Insassen im Fahrzeug waren weniger lebendig. Alle drei waren ohnmächtig. Geschickt erkannte einer der Gruppenführer, dass eine Person keine Atmung zeigte. Gemeinsam schafften wir es, ihn aus dem Autowrack zu befreien und zwei von uns führten augenblicklich die lebensrettenden Sofortmassnahmen gemäss BLS (Basic Life Support) durch. Schliesslich gelang es, alle Insassen aus dem Fahrzeug zu nehmen und medizinisch zu versorgen. Etwas ausser Atem, aber bestärkt in unserem medizinischen Fachwissen, gingen wir anschliessend zum nächsten Posten.

Beim zweiten Posten ging es um eine weitere klassische Feuerwehrtätigkeit: den Leitungsbau mit Feuerwehrschläuchen. Unter grossem Einsatz hatten wir zum ersten Mal seit fast einem Jahr wieder ein Strahlrohr in der Hand und übten uns im Aufbau von komplexeren Schlauchnetzwerken. Auch das Kabinettstück der Feuerwehr durfte nicht fehlen: der dreifache Löschangriff. Dabei wird unter Einsatz von drei unterschiedlichen Medien ein Feuer bekämpft. Im einfachsten Fall ist das ein Pulverlöcher, Löschschaum und Wasser. Der dreifache Löschangriff kommt hauptsächlich bei gefährlichen Gütern oder Öl zum Einsatz. Analog dazu existiert der dreifache Brandschutz, der bei Havarien eingesetzt wird.

Beim letzten Posten ging es eben um eine Havarie. Die uns weitergegebene Alarmmeldung berichtete von einer Havarie und einem Wasserschaden. Am Ort des Geschehens eingetroffen sahen wir ein leck geschlagenes Benzinfass sowie ein Wasserschaden im Keller. Aufgrund seiner Erfahrung und einer kurzen Aufklärung der Sachlage setzte der Gruppenführer souverän die richtigen Prioritäten und befahl den Gruppenmitgliedern, sich erst um das defekte Fass zu kümmern. Wir dichteten dieses provisorisch mit Material vom Pionierfahrzeug ab und verschlossen die Schachtdeckel. Sollte das Benzin in die Kanalisation gelangen, hätte das verehrende Folgen: in den Kanälen würde sich ein explosives Gemisch aus Luft und Benzindämpfen bilden. Sollte es zur Zündung kommen, werden im besten Fall Kanaldeckel weggesprengt (und landen unkontrolliert in der Umgebung) wie letztes Jahr bei Stuttgart. Im schlimmsten Fall stürzen ganze Strassenzüge ein wie 1992 in Mexiko.

Als diese Gefahr gebannt war, kümmerten wir uns um den Wasserschaden. Gemessen an der Einsatzhäufigkeit sind technische Hilfeleistungen wegen Wasser bei uns am häufigsten. Entsprechend routiniert beseitigten wir den Wasserschaden mit Hilfe einer Tauchpumpe und eines Wassersaugers. Damit war die intensive, stark praxisorientierte Übung bereits vorüber. Trotzdem war sie von grosser Wichtigkeit, denn jeder der Anwesenden hatte nun wieder die Gewissheit, im Einsatz adäquat und fachlich korrekt handeln zu können.

Text: Raphael Bos, Bilder: Raphael Bos

Endlich wieder selbst Hand anlegen: Maschinist bei der Bedienung des Tanklöschfahrzeugs «Meggi».